24.04.2024 · Aktuelles / Berlin

Brücken bauen – Herausforderungen der stationären Jugendhilfe

© DKJS/M. Kühl

Wie können die Aufwachsbedingungen von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen der stationären Jugendhilfe verbessert werden? Was sind die zentralen Herausforderungen und wie können sie zukünftig gelöst werden? Im Rahmen der Berliner Stiftungswoche kamen am 18. April bei der Veranstaltung „Brücken bauen für Kinder und Jugendliche in Einrichtungen der stationären Jugendhilfe“ Betroffene, Beteiligte und Interessierte mit Fachkräften und Expert:innen ins Gespräch. In der Zentral- und Landesbibliothek Berlin diskutierten sie im Fish-Bowl-Format über die aktuelle Situation und die Herausforderungen.

Das Panel bestand aus Kerstin Stappenbeck, Leitung der Jugendabteilung und Kinderschutz der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, Ragna Wolff von der Wadzeck-Stiftung, Alexander Schmieg vom Jugendamt Steglitz-Zehlendorf und Tanja Redlich vom Kompetenzzentrum Kinder- und Jugendbeteiligung Brandenburg, Fachstelle Beteiligung in den Hilfen zur Erziehung. Zusätzlich hatten Gäste der Veranstaltung die Möglichkeit, kurzzeitig und spontan einen der flexiblen Plätze in Anspruch zu nehmen und sich an der Diskussion zu beteiligen. Moderiert und organisiert wurde die Veranstaltung gemeinsam von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, vertreten durch das Programm Mobile Jugend-Lern-Hilfe und Annekathrin Schmidt sowie der Bürgerstiftung Berlin, vertreten durch Sandra Förster.

Personalmangel und fehlende Fachkräfte

Mit den Angeboten des Programms Mobile Jugend-Lern-Hilfe sollen Ergänzungen zu der pädagogischen Arbeit innerhalb der Einrichtungen geboten werden und die Bildungschancen der Kinder und Jugendlichen durch verschiedene Unterstützungsangebote und eine vertrauensvolle Begleitung gestärkt werden. Entstanden ist das Programm während der Corona-Pandemie und des erhöhten Lern- und Unterstützungsbedarfs bei den Kindern und Jugendlichen in den stationären Einrichtungen der Jugendhilfe durch den Fachkräftemangel. „Die Corona-Pandemie war eine riesige Drucksituation und auch die Träger haben hier viel Druck ausgeübt. Wir mussten dann im Senat überlegen, wo wir Fachkräfte herbekommen. Da kam dann die Idee auf, dass andere Träger, zum Beispiel Jugendfreizeiteinrichtungen, die zu der Zeit ja geschlossen waren, Zeit haben müssten, um in einer Wohngruppe auszuhelfen“, so Kerstin Stappenbeck von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie. Das Programm ist in diesem Jahr bereits im vierten Programmjahr und hat sich über die Jahre fest etabliert. So ist das Programm bei den stationären Wohngruppen nicht mehr wegzudenken und bietet auch dem Personal vor Ort eine große Entlastung – auch unabhängig von der Pandemie, denn durch die hohe Fluktuation in den Teams besteht weiterhin ein enormer Fachkräftemangel. Alexander Schmieg vom Jugendamt Steglitz-Zehlendorf bestätigt dies: „Es gibt einen massiven Fachkräftemangel bei uns im Jugendamt und auch bei den freien Trägern.“ Ein Hauptproblem ist, dass der Job nicht attraktiv genug ist. Die Bezahlung und Arbeitsbedingungen sind nicht mehr auf dem aktuellen Stand, hier muss sich dringend etwas ändern. „Viele wissen gar nicht, was es bedeutet, stationär zu arbeiten“, so Ragna Wolff von der Wadzeck-Stiftung.

Fehlende finanzielle Ressourcen und Kommunikationskanäle erschweren die Arbeit

Neben dem immer noch akuten Personalmangel sind auch die finanziellen Möglichkeiten eine große Herausforderung für die Jugendhilfeträger. Ebenso mühsam sei der hohe Bürokratieaufwand. „Es ist sehr langwierig und mühsam, Anträge zu schreiben. Auch dafür braucht man Personal und Zeit“, ergänzt eine weitere Fachkraft, „Angebote von Sportvereinen etc. sind toll, aber der Beitrag, den man für Turnvereine oder Tanzkurse zahlen muss, ist höher als das vorhandene Budget. Zusätzlich fehlen auch hier die personellen Ressourcen, die Kinder und Jugendlichen zu den Sportangeboten zu bringen. Auch die Kommunikation ist weiterhin eine große Herausforderung. Die Vereinskommunikation und auch oft die Kommunikation im Klassenverband läuft über den Dienstleister WhatsApp. Den Kindern ist es nicht erlaubt, darüber zu kommunizieren.“

Vernetzung als Brückenansatz

Die Arbeit in der Jugendhilfe muss dringend sichtbarer und attraktiver gestaltet werden und die Arbeitsbelastung zumutbar sein, wie auch Kerstin Stappenbeck bestätigt: „Die stationäre Jugendhilfe muss aufgewertet werden.“ Eine starke Vernetzung mit Schulen, Ausbildungsbetrieben und Studium aus dem sozialen Bereich oder auch dem FSJ sind wichtige Ansätze, sodass Herausforderungen sowohl von den betroffenen Kindern und Jugendlichen als auch von den jeweiligen Akteuren und Fachkräften erkannt und gesehen werden. Eine Stimme aus dem Podium bestärkt dies: „Die erste Assoziation ist Verbindung. In meiner Arbeit bildet für mich der Netzwerkaustausch mit Trägern so etwas wie eine Brücke: Gute Kooperationsebenen, sodass wir in den Austausch kommen. Gerade, wenn man bei den komplexen Hilfebedarfen an Grenzen kommt und herausfinden möchte, was man unterstützend machen kann, damit auch diese Kinder eine gute Unterbringung finden.“ Und auch Tanja Redlich vom Kompetenzzentrum Kinder- und Jugendbeteiligung Brandenburg betont: „Die Schulen kennen die Bedingungen der stationären Jugendhilfe nicht. Es sollte Kooperationsvereinbarungen mit Schulen geben und die stationäre Jugendhilfe müsste auch im Lehramtsstudium thematisiert werden.“

Erleichterung würde auch eine Lockerung bei der Antragstellung und dem Bürokratieaufwand verschaffen. Dieser zeitliche Mehraufwand benötigt Personal und fehlt dann in anderen Bereichen. Hier bietet das Programm Mobile Jugend-Lern-Hilfe bereits Lösungsansätze durch unkomplizierte und schnelle Antragstellung, was Ragna Wolff bestätigt: „Das war bei Mobile Jugend-Lern-Hilfe nicht der Fall und so sollte es einfach sein.“

Zu Beginn der Veranstaltung wurde auch eine kleine Premiere gefeiert: Der frisch produzierte Kurzfilm des Programms Mobile Jugend-Lern-Hilfe, der Einblicke in das Programm, die verschiedenen Unterstützungsangebote und eine 1-zu-1-Betreuung zeigt, wurde erstmals vor Publikum präsentiert. In Kürze finden Sie den Film auch auf der Programmseite.

Mobile Jugend-Lern-Hilfe ist ein Programm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) und wird gefördert von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie des Landes Berlin (SenBJF). Das Programm wurde gemeinsam entwickelt von der DKJS, der SenBJF, Abteilung Jugend und Kinderschutz und der Liga der Spitzenverbände.